Eine Zwangsheirat liegt vor, wenn eine Ehe gegen den Willen einer oder beider Personen geschlossen wird; wenn also die Braut, der Bräutigam oder beide mittels psychischem Druck bis hin zu massiver physischer Gewalt zur Ehe gezwungen werden. Laut UN- Kinderrechtskonvention wird eine Heirat unter 18 Jahren als Kinderehe gewertet. Kinderehen sind eine Form der Zwangsverheiratung, denn MInderjährige können sich noch nicht angemessen wehren, bzw. können die Folgen einer Verheiratung nicht abschätzen.
Zwangsverheiratung ist in Deutschland seit dem 19.02.2005 strafrechtlich als schwere Form der Nötigung verboten.
Zwangsverheiratung verstößt gegen das Recht auf Freiheit der Eheschließung, wie es u.a. in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen 48 (Artikel 16 Absatz 2) verankert ist; dieses Recht findet sich auch im in den Grundrechten der Bundesrepublik Deutschland (Art. 6, Abs. 1). Eine erzwungene Verheiratung hat weit reichende Konsequenzen für die eigenen Lebens- und Entfaltungschancen und die psychische Gesundheit.
Arrangierte Ehen sind in vielen Ländern der Welt gelebte Tradition. Die Eltern suchen nach geeigneten Ehepartnern und Partnerinnen für ihre Kinder, schalten eventuell noch Heiratsvermittler ein. Wenn die Tochter oder der Sohn mit der Vermittlung und der Partnerwahl einverstanden sind und die Hochzeit wünschen, ist diese Verbindung keine Zwangsheirat. In der Praxis wird dem betroffenen Sohn oder der Tochter bei der Entscheidung für oder gegen einen Heiratskandidaten oder eine Kandidatin, sowie über den Zeitpunkt einer Eheschließung nicht immer Mitsprache eingeräumt, bzw. eine Ablehnung wird von der Familie nicht akzeptiert. Manchmal sin die Mädchen auch zu jung, um eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Die Grenzen zur Zwangsheirat sind fließend.
Jadwiga hilft Mädchen und Frauen, in Einzelfällen auch Männern, die unter familiären Konflikten leiden und eine nicht gewollte Hochzeit befürchten. Auch Frauen, die über eine Zwangsheirat nach Deutschland gelangt sind und sich in Not befinden, beraten wir.
Wir klären gemeinsam, was die hilfesuchende Person tun kann. Wir geben praktische Hinweise und konkrete Hilfen. Bei akuter Gefahr werden Schutz- und Fluchtmöglichkeiten aufgezeigt. Für die bestmögliche Sicherheit kann es notwendig werden, mit Behörden, Polizei, Jugendamt und Hilfsvereinen zu kooperieren. Dies geschieht immer in Absprache mit den Betroffenen. Oftmals ist eine überregionale Kooperation aus Sicherheitsgründen unerlässlich.
Eine Fallbeispiel
Marselas Hochzeit muss abgesagt werden
Die 18jährige Marsela wendet sich verzweifelt an uns: Die Eltern hätten bereits die Hochzeit bestellt und organisiert, mit vielen hundert Gästen, aber sie könne den von den Eltern ausgesuchten Mann auf keinen Fall heiraten. Es ist nicht einfach, Marsela zu beraten, sie kann immer nur kurz von ihrem Arbeitsplatz telefonieren. Die Gespräche ergeben, dass Marsela über Jahre von Vater und Brüdern psychische und körperliche Gewalt erfahren hat. Dennoch hängt sie sehr an ihrer Familie. Es fällt ihr sehr schwer, zu fliehen, doch sie sieht keinen anderen Ausweg. Nach wochenlanger intensiver Beratung und Unterstützung von JADWIGA gelingt es Marsela, ihren Heimatort zu verlassen und in einem anderen Bundesland anonym unter zu kommen. Zum Glück können wir einen Platz in einem Hilfsprojekt für sie bekommen. An dem neuen Ort findet sie bald eine Arbeitsstelle. Sie vermisst ihre Mutter und Geschwister sehr, doch Kontakte zu ihnen wären riskant, weil Väter und Brüder sie intensiv suchen und ihr Leben bedrohen. Ein eigenständiges Leben der jungen Frau widerspricht deren Ehrvorstellungen.