Kinder und Jugendliche, die von Menschenhandel betroffen sind, geben sich selten von sich aus als Betroffene zu erkennen. Sie sehen sich selbst nicht als Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel und/oder es fällt ihnen schwer, sich Erwachsenen anzuvertrauen.
Dies hat u.a. die Ursache, dass es für Betroffene der Loverboy-Methode schwierig sein kann, sich vom Täter zu lösen:
- Der Täter macht die Betroffene emotional von sich abhängig. Durch gezielte Manipulation bindet er sie an sich und isoliert sie von Freund*innen und Familie, wodurch er teilweise der einzige Ansprechpartner für sie darstellt.
- Durch die Isolation haben Betroffene das Gefühl, dass nur er sie liebt, sich kümmert und sie beschützen kann. Lebt die Betroffene bereits zuvor in schwierigen Familienverhältnissen, erlebt sie eventuell das erste Mal Liebe, Zuneigung und Schutz, was sie noch stärker an ihn bindet.
- Zu Beginn der Beziehung überhäuft der Loverboy die Betroffene mit Komplimenten, oft auch Geschenken und viel Zuneigung. Dies bezeichnet die sogenannte „Honeymoon-Phase“. Mit Fortschreiten der Beziehung häufen sich Gewalt, Erpressung und Drohungen gegenüber der Betroffenen.
- Die Betroffenen hoffen, dass es wieder so wird wie am Anfang der Beziehung. Sie versuchen, dem Täter zu gefallen, um das Ausmaß der Ausbeutung kontrollieren zu können. Er hat nur die Verringerung ihres Selbstwertgefühls zum Ziel.
- Nach Gewalt und Missbrauch zeigt der Loverboy wieder Reue und Zuneigung. Auf diese Weise wird die Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehung verstärkt. Durch diesen Kreislauf aus Missbrauch und Zuneigung und einem Machtungleichgewicht entsteht eine Trauma-Bindung. Diese Trauma-Bindung erschwert es Betroffenen erheblich, sich vom Täter zu lösen und hat langfristige, negative Auswirkungen auf Betroffene.
- Betroffene sehen sich selbst oft nicht als Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel. Kommen sie aus dysfunktionalen Familienverhältnissen, relativieren bzw. normalisieren sie die Gewalt des Täters.
- Die Betroffenen sind traumatisiert. Aus zusätzlichen Schuld-, Angst- und Schamgefühlen trauen sie sich nicht, Hilfe zu suchen.
- Auch durch die gezielte Isolation von Vertrauenspersonen, Angst vor Polizei und Justiz (durch Manipulation des Täters und wenn sie selbst zu Straftaten gezwungen wurden) oder der Zwang zu Drogenkonsum kann es umso schwerer für Betroffene machen, sich zu lösen.
Handreichungen zu den Erkennungsmerkmale von Betroffenen
Weitere Arbeitshilfen für die Praxis:
Handel mit und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen erkennen und reagieren, Arbeitshilfe für die Praxis von ECPAT Deutschland