Menschenhandel

In der Gegenwart nimmt die Sklaverei eine moderne, aber immer noch verheerenden Form an:  den „Menschenhandel“. Dieser erweist sich als ein Phänomen, das trotz Gesetzesreformen, Regierungssystemreformen, internationalen Übereinkommen und zwischenstaatlichen Schritten, sowie Sanktionen besser floriert als jemals zuvor. Diese moderne Form der Sklaverei stellt eine Verletzung der Menschenwürde dar und geht oft mit psychischem Terror und physischer Gewalt einher.

Im Zusammenhang mit der Globalisierung und der Liberalisierung des Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehrs sowie Kriegen und ungleichen sozioökonomischen und ökologischen Bedingungen werden Millionen von Menschen zu Flucht und Migration gedrängt. In diesem Kontext gedeiht der Menschenhandel und länderübergreifende kriminelle Netze machen hohe Profite. Weltweit werden die Betroffenen von Menschenhandel mit 2,4 Millionen und die Profite durch Menschenhandel mit 150 Milliarden beziffert.[1] (ILO-International Labour Organisation)

Der Menschenhandel ist eines der komplexesten Verbrechen des 21. Jahrhunderts, das sich in Formen wie sexueller Ausbeutung, Arbeitsausbeutung, Zwangsbettelei, Zwangsheirat und Zwang zu strafbaren Handlungen sowie Organhandel manifestieren kann. Laut des Palermo Protokolls aus dem Jahr 2000 („Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende Organisierte Kriminalität“) liegt Menschenhandel vor, wenn eine Person durch Drohung, Täuschung, Gewalt oder Missbrauch von Macht angeworben und zur Aufnahme oder Fortsetzung ausbeuterischer Tätigkeiten gezwungen wird. Eine Grenzüberschreitung ist hierbei nicht notwendig. In Deutschland ist Menschenhandel unter § 232 ff StGB gesetzlich geregelt. Prinzipiell kann Menschenhandel in drei Phasen unterteilt werden: Anwerbung – Transport – Ausbeutung. Hier wird von den Tätern oft arbeitsteilig vorgegangen, was die polizeiliche Ermittlungsarbeit erschwert.

Menschenhandel ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Die Täter rauben den Betroffenen ihre Selbstbestimmung, die Kontrolle über den eigenen Körper und das Recht auf freie Berufsausübung. Weltweit arbeiten mindestens 40 Millionen Männer, Frauen und Kinder unter Zwang oder sklavenähnlichen Bedingungen[2].

Die höchsten Profite werden dabei aus Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft und der sexuellen Ausbeutung gezogen. Die internationalen Zahlen der ILO zeigen, dass Frauen und Mädchen mit 29 Millionen oder 71 Prozent überproportional häufig von moderner Sklaverei betroffen sind. Die Internationale Arbeitsorganisation gibt an, dass 99 Prozent der Betroffenen von Zwangsarbeit in der kommerziellen Sexindustrie[3] Frauen und Mädchen sind.

Als Zwangsarbeit wird dabei jede Arbeit oder Dienstleistung genannt, die von einer Person gegen ihren freien Willen und unter Androhung einer Strafe verlangt wird. Die Zwangsmittel können offensichtlich sein wie bei der Anwendung physischer Gewalt, aber auch betrügerisch durch Täuschung, Drohung oder die Einbehalten von Löhnen. Arbeit unter Zwang kann darüber hinaus verschiedene Formen annehmen. Bei der Schuldknechtschaft etwa handelt es sich um eine Form von Versklavung: Aufgrund einer Verschuldung, zum Beispiel durch einen Vorschuss oder ein Darlehen, müssen die Betroffenen, oft sogar noch deren Angehörige, ihre Schulden unter den Bedingungen der Knechtschaft „abarbeiten“, manchmal auf unbestimmte Zeit.

In unserem Alltag nutzen wir täglich Produkte und Dienstleistungen, die unter Zwang und massiver Ausbeutung hergestellt oder angeboten werden. Menschenhandel, Zwangs- und Kinderarbeit existieren in fast allen Branchen, allen voran in der Hauswirtschaft, in der Landwirtschaft, im Bausektor, in Minen, im herstellenden Gewerbe und in der Prostitution. In Deutschland wurde im Frühjahr 2020 in mehreren Fällen deutlich, dass bei Arbeitsbedingungen, Vertragsgestaltung, Wohnverhältnissen und Entlohnung im Gemüsebau und in Schlachthöfen vielfach Missstände herrschen.

Für Deutschland fehlen gesicherte Zahlen, wie viele Personen insgesamt von Menschenhandel betroffen sind. Nach den Statistiken des Bundeskriminalamtes[4], werden jährlich 500 - 700 Betroffene verschiedener Formen des Menschenhandels im Hoheitsgebiet Deutschlands polizeilich ermittelt. In die sexuelle Ausbeutung geraten häufig junge Frauen zwischen 18 und 21 Jahren. Beispielsweise waren bei den polizeilich registrierten Betroffenen sexueller Ausbeutung im Jahr 2017 ein Anteil von 45,8% jünger als 21 Jahre[5]. Das Dunkelfeld ist nach Einschätzung aller Experten weit größer. Die Anzahl der männlichen Betroffenen und der betroffenen Kinder ist noch schwerer einzuschätzen.

Zwangsverheiratung wurde nach EU-Normen ebenfalls als eine Form des Menschenhandels definiert. Die ILO (International Labour Organisation) schätzt, dass weltweit 15,4 Millionen Menschen von Zwangsverheiratung betroffen sind, davon sind 85% weiblich.

Angesichts der sozialen, digitalen und wirtschaftlichen Entwicklungen, sowie den weiter bestehenden wirtschaftlichen Disparitäten zwischen den Ländern, ist anzunehmen, dass der Menschenhandel weltweit und in Europa ansteigt[6]. Die tatsächlichen Zahlen sind schwer zu ermitteln, da die Fälle erst deutlich werden, wenn polizeiliche Ermittlungen sie zu tage bringen oder Wissenschaftler und Regierungen die Fälle zählen.

Es ist jedoch klar, dass der Menschenhandel eines der dynamischsten und produktivsten Verbrechen des 21. Jahrhunderts ist. Die Täter sind flexibel: sie passen ihre Arbeitsweise an, und diversifizieren sie, um Gesetzeslücken oder Verfahrenslücken zu ihrem Vorteil auszunutzen, und um mit wenigen Risiken ein höheres Einkommen zu erzielen. Dies führt zu neuen Herausforderungen sowohl für die Strafverfolgung als auch für die Organisationen, die den Betroffenen Hilfe bieten.

Menschenhandel und Asyl

Menschen, die aus ihren Herkunftsländern fliehen, sind auf der Flucht, wie auch in Europa in Gefahr, verschiedene Formen von Gewalt zu erleben und in Ausbeutungssituationen zu geraten. Menschenhändler nutzen zudem etablierte Fluchtrouten, um die Betroffenen nach Europa zu bringen. Durch falsche Versprechungen bezüglich Bildung oder Arbeit werden sie nach Europa gelockt, um dann in Drittstaaten wie beispielsweise Libyen oder auch in europäischen Ländern in die Ausbeutung gebracht zu werden, und von ihnen fiktive Schulden für die Reise einzufordern. Einigen Betroffenen gelingt es, den Tätern zu entkommen und sie fliehen aus beispielsweise Italien weiter nach Deutschland. Eine Möglichkeit, einen sicheren Aufenthalt für Personen aus Drittstaaten zu erlangen und sich vor einer Verfolgung durch die Täterkreise im Herkunftsland zu schützen, ist es Asyl zu beantragen. Durch prekäre Unterbringung, eingeschränkte Rechte, sowie fehlende Informationen sind besonders geflüchtete Frauen vulnerabel, und gefährdet, wieder in eine Ausbeutungssituation hier in Deutschland zu geraten, wie etwa Zwangsarbeit oder Zwangsprostitution. Zudem stellen die großen und international vernetzten Täternetzwerke eine reelle Bedrohung dar, dass Frauen auch in anderen Ländern wieder gefunden werden.

Betroffenen von Menschenhandel kann besondere Unterstützung zuteil werden, z.B. dass die Anhörung durch eine Sonderbeauftragte für Betroffene von Menschenhandel des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge durchgeführt wird. Betroffene können auch durch Fachberatungsstellen unterstützt werden .Betroffene von Menschenhandel erhalten selten einen asylrechtlichen Schutzstatus in Deutschland, da sie dafür individuelle Bedrohungen glaubhaft darlegen müssten, und dies für sie aufgrund der weiter bestehenden Bedrohung und fehlender Beweismittel schwer ist, und zudem ihr Erinnerungsvermögen aufgrund von psychischem Trauma als Folge der erlittenen Gewalt oft eingeschränkt ist. Zudem werden Erfahrungen im Menschenhandel oft nicht als asylrechtlich relevant eingestuft[7].

Weitere Informationen zu diesem Bereich sind auch bei dem Projekt „Flucht und Menschenhandel“ des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel erhältlich.

 

Fallbeispiel

Joy aus Nigeria - betroffen von Menschenhandel und Geflüchtete

Deutsche Polizeibehörden griffen 2018 insgesamt 68 Opfer nigerianischer Menschenhändler auf, deutlich mehr als noch im Vorjahr. Sie machten mit 61 Prozent den größten Teil unter afrikanischen Opfern des Menschenhandels aus. Auch wurden 41 nigerianische Tatverdächtige gefasst, fast doppelt so viele wie 2017, so das Lagebild Menschenhandel des Bundeskriminalamtes für 2018. Die Frauen aus Nigeria erfahren meist schon auf dem Weg nach Europa Gewalt und müssen lebensbedrohliche Situationen überstehen.


 

Quellen

[1]Internationale Arbeitsorganisation (ILO): Weltweit leben 40 Millionen Menschen in moderner Sklaverei und 152 Millionen Kinder müssen arbeiten.

[2]nternationale Arbeitsorganisation (ILO): Weltweit leben 40 Millionen Menschen in moderner Sklaverei und 152 Millionen Kinder müssen arbeiten.

[3] Global estimates of modern slavery: Forced labour and forced marriage. International Labour Office (ILO), Geneva, 2017

[4] Bundeskriminalamt, Bundes­lage­bild Menschen­handel und Aus­beu­tung 2018.

[5]Bundes­lage­bild Krimi­nalität im Kon­text von Zu­wan­de­rung 2018

[6] International Labour Organisation (ILO): Forced labour, modern slavery and human trafficking

[7]Weitere Informationen unter Lindner (2014) Aufenthaltsmöglichkeiten für Opfer von Menschenhandel aus Drittstaaten (PDF-Datei)

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